Dienstag, 13. Juli 2010

Das rote Tuch der Woche: Nicht nur die Bahn...


...liess die Leute schmurgeln, da gibt es noch ganz andere, die das auch tun.


Es ist sogar eine jener Einrichtungen, die sich so hervortun, wie sehr sie den Menschen helfen. 



Da ist einer, der zwar Arbeit hat, aber es reicht nicht so ganz, wie bei vielen Menschen heute. Also, ist er Aufstocker, und damit ja berechtigt, in einen der Läden der Tafel zu gehen, wenn er das denn will. Er hat auch noch einen Ausweis, aber der ist nicht mehr so richtig gültig, denn der Tafelladen hat ein neues System eingeführt, mit Punkten und Berechtigungsdaten in den Punkten, wann einer für wie viele Leute dort kaufen darf. 



Das sieht inzwischen so aus:



Für unterschiedliche Personengruppen gibt es verschieden-farbige Punkte. (Der rote Punkt z.B. steht entweder für 1-2 Erwachsene oder einen Erwachsene mit einem Kind, der blaue Punkt steht für 3-4 Personen).
Auf der Kundenkarte erkennt man, zu welcher Farbe man gehört. Über jedem Warenangebot steht auf jedem Farbpunkt die Stückzahl, die der Kunde mit dieser Farbe mitnehmen darf.
Steht also z.B. über den Milchprodukten die Zahl 3 auf einem roten Punkt, dann darf ein Kunde aus der Gruppe mit dem roten Punkt bei diesem Einkauf drei Milch-Produkte in seinen Warenkorb legen.

In den Laden werden wegen der beengten räumlichen Verhältnisse immer nur 10 Kunden auf einmal gelassen.
Zu Beginn der Öffnungszeiten herrscht immer ein starker Andrang und damit die Kunden nicht schon Stunden vor der eigentlichen Öffnungszeit den Vorplatz bevölkern, im Glauben, dass der erste auch die besten Waren bekommt, entscheidet über die Eintrittsreihenfolge ein Lossystem.
Die Ladenpreise entsprechen ungefähr zwischen einem 10tel und 20tel des Supermarkt-Preises. Ein Joghurt ist da schon mal für 5 Cent zu haben.

Strafen gibt es allerdings inzwischen auch, wie sich das gegenüber den Hartz IV_Empfängern gehört, die sonst zu frech werden:

Leider wurden im September des letzten Jahres die Regeln etwas verschärft, Kunden, die ihren Einkauf falsch packten, bekamen einen Vermerk!

Manche Kunden fanden das stigmatisierend, jedoch können die Helfer nicht ständig die Einkäufe aussortieren, dazu ist bei dem Andrang und den engen Räumlichkeiten einfach keine Zeit. Einige Kunden hielten sich nicht immer an die Regeln, schnappten sich von den besten Waren viel zu viel und um das zu unterbinden und eine Verteilungsgerechtigkeit aufrechtzuerhalten, wurde das System mit den Vermerken eingerichtet. Bei drei Vermerken (3-mal falsche Produkte im Warenkorb!) gibt es ein klärendes Gespräch, in uneinsichtigen Fällen auch ein kurzzeitiges Einkaufsverbot. Die Vorstandsmitglieder selbst finden diese Regelung bedauerlich, aber anders ließen sich der reibungslose Ablauf und eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit nicht erhalten.

Jaja, die Zeiten sind brutal, und die Sitten barbarisch, da muss man streng durchgreifen. Doch besagter Arbeiter der schon mal einen Ausweis hatte, wollte gar nicht viel. Lange hatte er den Laden nicht mehr aufgesucht, weil er die Ware und auch einiges Andere an Vorgängen nicht in bester Erinnerung hatte.


Er wollte also weder Milchprodukte, noch sonst etwas. Die Hitze machte ihn fertig in den langen Arbeitshosen, und da auch ein Kleiderangebot in dem Tafelladen war, wollte er eigentlich nur schauen, ob die vielleicht eine kurze Hose für ihn hatten. Den Personalausweis hatte er immerhin dabei, wenn auch keine sonstigen Papiere, aber irgendwo hätte er ja noch verzeichnet sein müssen.


Nichts da, ihm wurde nicht geholfen. Barsch wurde er aus dem Laden gewiesen, da könnte ja jeder kommen...
Ein Mensch ist der Mühe nicht wert, wenn er nicht den Vorschriften gemäss alles bei sich hat - möglichst sämtliche Einkommensnachweise und die Bescheide der Arbeitsagentur, etc., etc., etc.


Er hat weiter geschwitzt und gelitten, 8 Stunden an diesem superheissen Tag, in der Sonne - und die Papierkörbe geleert, die Strassen sauber gehalten. Er hat sie verflucht, kann sich also eigentlich bei denen auch nicht mehr sehen lassen, weil diese Einrichtungen nicht nur Fehlverhalten beim Einpacken abstrafen, sondern auch übelnehmen, kein Verständnis für Leiden und Frust haben, und auch da abstrafen - sogar mit Sippenhaft.


Und das nennt sich Wohltätigkeit - wird gefördert - und ist typisch, dass sich die Politiker auch gerne damit schmücken. Nur mit so etwas können sich die Politiker schmücken - mit Zucht und Ordnung, mit angemasster Autorität über Menschen, die nichts weiter wollen, als ein wenig Hilfe.


Tafeln erhalten Auszeichnung.


Der Bundesverband Deutsche Tafel ist mit einem Preis geehrt worden: Die Ökologisch-Demokratische Partei Deutschlands (ödp) verlieh dem Verband und seinen über 860 Mitglieds-Tafeln die „Goldene Schwalbe 2010“. Die Partei würdigt mit der Auszeichnung Personen oder Institutionen, „die sich in besonderer Weise um Demokratie und Ökologie verdient gemacht haben“.

Bei der Preisverleihung wurde insbesondere das Engagement der mehr als 40 000 ehrenamtlichen Tafel-Helfer hervorgehoben. Vorstandsmitglied Gerhard Hampl nahm den Preis am Sonntag in Eisenach entgegen und bedankte sich im Namen des Verbandes und seiner Mitglieder für die Auszeichnung. 


Bundesfamilienministerin Schröder ist neue Schirmherrin der Tafeln

Mehr als 2.000 Menschen haben am Samstag die Lange Tafel auf dem Berliner Alexanderplatz besucht. An einem knapp 200 Meter langen Tisch aßen Tafel-Helfer, Tafel-Kunden, prominente Gäste und Berliner Bürger gemeinsam kostenlos zu Mittag. Die Lange Tafel war einer der Höhepunkte des 16. Bundestafeltreffens, das in diesem Jahr von der Berliner Tafel ausgerichtet wurde. Während der Langen Tafel übergab der Vorstand des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V. die Schirmherrschaft über die Tafeln in Deutschland offiziell an Bundesfamilienministerin Kristina Schröder.


Hmmmm.

Wie war das doch mit den Grundsätzen der Tafeln?


Grundsatz 4

Die Tafeln arbeiten unabhängig von politischen Parteien und Konfessionen.

Die Tafeln helfen allen Menschen, die der Hilfe bedürfen.

So heisst es da, unter anderen Grundsätzen. Diese Grundsätze haben auch Paragraphen, erfährt man nebenbei. Aha...

§§

Diese Zeichen also, die ineinander verschlungenen Fleischerhaken, an denen die Moral der Menschen aufgehängt ist. Wo diese zur Wirkung kommen, ist entweder etwas Schlechtes schon geschehen, wie beim Gericht - oder aber es soll vorbeugend vermieden werden. Meistens wird dabei die Menschlichkeit ein Stück weit vergessen, wie mir scheint.

Wie wäre es gewesen, wenn dem erschlöpften, und einem Hitzekoller nahen Menschen ein kühles Glas Wasser angeboten worden wäre, um dann in Ruhe sein Anliegen anzuhören? Oder ist dafür auch schon wieder kein Raum, und keine Zeit mehr? Es muss ja alles effektiv sein, schnell gehen, kostenneutral - auch bei der Armutsverwaltung.


Eure armselige Mitleidskultur und Menschlichkeitsarmut kotzt mich an!

Dieses süssliche Getue dem sogenannten Prekariat gegenüber,
das neben dem Angebot der Tafeln - das andere nicht mehr 
verspeisen wollen - auch noch die Kategorisierungen wieder 
einmal hinnehmen soll, die Abstempelungen, Verweise und Strafen
akzeptieren muss, falls einer von denen etwas will von Euch.

Die Kirchen und Hilfsvereine waren schon immer bürokratisch,
geschäftstüchtig und effektiv, und dachten nie daran, was sie ohne
jene wären, denen sie etwas Hilfe gewähren, und dabei die Nasen 
ganz weit oben haben, weil sie so mildtätig sind.
Und schon immer wurden jene gering geschätzt, die diesen Vereinen
dazu verhalfen, ihr Ansehen zu mehren, auf Kosten jener anderen.


Ich weiss, Ordnung muss sein, und wie man es macht, ist es nicht recht...


Trotzdem, wenn dieser Staat nicht so raffgierig wäre,- wenn sich die Kirchen 
nicht immer noch auf Kosten dieses Staates gesund erhalten würden,- wenn...
...dann wäre dieses ganze Gedöns nicht nötig.

Doch, wenn es nicht nötig wäre --- wo wäret dann Ihr? Wo bliebe das Element
der Mildtätigkeit, das so hervorgehoben wird, weil es sonst überall fehlt? Wo wäre
dann die geheuchelte Barmherzigkeit?


Sie wäre nicht notwendig, wie so vieles andere auch nicht nötig wäre. Leider ist das 
ganze System pervers, also auch die sogenannte Wohltätigkeit. Davon nehme ich keine 
der Einrichtungen aus, auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen mögen...




 

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